Erfahrungsbericht: Der Schnellzug von Istanbul nach Ankara

Jahrzehntelang wurden in der Türkei kaum Investitionen in die Infrastruktur getätigt. Seit 2002, also nach der Regierungsübernahme der AKP von Ministerpräsident Erdogan hat sich das geändert. Landstraßen zu doppelspurigen Straßen ausgebaut, neue Schienennetze verlegt etc.

Ende letzten Monats wurde dann die Schnellzug-Strecke zwischen Istanbul und Ankara feierlich eröffnet. Es gehört damit zu einem der Großprojekte der Türkei. Jedoch eines der kleineren Großprojekte. Zuvor wurden bereits Schnellzug-Strecken zwischen Eskisehir-Ankara oder Konya-Ankara eröffnet.

Ein guter Freund hat nun jüngst die Dienste dieses Schnellzuges in Anspruch genommen. Ich habe ihn natürlich hinsichtlich seiner Erfahrungen befragt. Hier sein Erfahrungsbericht.

Preise & Fahrtzeit

Die Preise pro Fahrt belaufen sich auf zwischen 35-70 TL soweit ich von den Medien informiert bin. Das ist, verglichen mit den Preisen für Fernbusse, fast schon günstig, da eine sechsstündige Busfahrt von Ankara nach Istanbul mind. 50 TL kostet.

Die Fahrtzeit wird dank Schnellzug auf 3,5 Stunden reduziert. Mit dem weiteren Ausbau des Schienennetzes soll diese Zeit sogar auf drei Stunden gesenkt werden.

Und wie sieht es in der Realität aus? Der Tester war in vier Stunden in Istanbul und war völlig außer sich. Ich konnte nur erwiedern, dass er mal Deutsche Bahn fahren soll. Vielmehr hat ihn wohl die fehlende Auskunft geärgert, warum man einem Bahnhof eine halbe Stunde warten musste. Andere Gäste, die bereits mehrmals gebahnt waren, bestätigten ihm, dass dies zum ersten Mal vorgekommen sei.

Warum man diese Verspätung (nicht) akzeptieren kann:

  • Akzeptieren, da die Türkei in Sachen Schnellzug noch in den Kinderschuhen steckt
  • Nicht akzeptieren, da es gerade nicht so viel Schienenverkehr gibt und der Schnellzug – wie auch hier in der BRD – Vorrang vor allen anderen Zügen hat

Komfort & Gastronomie

Ich fragte den Tester nach dem Komfort im Zug. Er war recht begeistert. Zitat:

Die Sitze sind komfortabler als in jedem Flieger, indem ich bisher saß.

Die Sitze in der 1. Klasse sollen noch breiter und bequemer sein, so dass er kurz überlegt hat, sich dort schlafen zu legen. In diesem Abteil gibt es auch Zugbegleiter, die einem Essen und Trinken servieren.

Apropos Verpflegung. Unser Tester hat auch den Gastrobereich des Schnellzuges besucht. Zuvor hatte er sich am Bahnhof ein Prospekt besorgt.

Dort angekommen, sah er die Speisen auch noch einmal in Hochglanzbildern an den Wänden abgebildet. Er fragte die Servicekraft nach den an jenem Tag verfügbaren Speisen. Diese bestanden aus Toasts, Sandwiches, Pizzen und Hamburgern.

Er bestellte eine Pizza. Diese sah jedoch gar nicht so aus, wie auf den Hochglanzbildern. Belegt mit Salami und Knoblauchwurst, entfernte der Gast zumindest die Salami. Dennoch war das Teigfetzen ungenießbar. Er bestellte einen Hamburger. Auch hier ließ er das Fleisch links liegen und aß nur das Brot auf.

Überrascht war er, als kurze Zeit nach ihm ein anderer Gast hereinkam und ebenfalls nach dem vorhandenen Essen fragte. Ihm wurden Döner mit Reis etc. angeboten. Seine Reaktion: „Haltet ihr den Herrn für attraktiver oder warum wird mir nur ungenießbares Fast-Food vorgelegt und ihm warme Küche?“ Die Ausrede war, dass ihn ein anderer (womöglich unerfahrener) Servicemitarbeiter bedient hat.

Weitere Kritik: Die Endstation

Eine weitere Kritik des Gastes war, dass der Zug bis nach Pendik fährt. Das ist für viele Istanbuler nicht einmal Istanbul.

Pendik liegt auf der asiatischen Seite und könnte vielleicht als das Eingangstor zur Millionenstadt, die täglich zehn Millionen Menschen befördert, bezeichnet werden.

IstanbulWer auf der europäischen Seite Istanbuls wohnt, der hat aus Pendik aus gut und gerne noch 50 km Strecke vor sich.

Hier ist der Gast der Meinung, dass die Eröffnung vielleicht verfrüht stattgefunden hat. Die Fahrt müsste mit Sicherheit noch bis Kadiköy ausgebaut werden.

In der Fertigstellung dieses Projekts hat die Türkei jedoch gesehen, wie schwierig es war, dieses Projekt zu Ende zu bringen. Mehrmals wurden Trassen oder Kabel beschädigt. Und wir reden hier nicht von einigen Käbelchen, sondern gleich mehreren Hunderten. Ein Akt derer, die sich eine Weiterentwicklung in der Türkei nicht wünschen. Dadurch wurde die Eröffnung immer wieder verzögert.

Fazit

Summa summarum kann sich die Jungfernfahrt des Schnellzuges Istanbul-Ankara m.E. sehen lassen. Eine halbstündige Verspätung würde ich noch hinnehmen und eh nicht im Zug, sondern vorher essen. Der Umstand, dass der Zug nur bis Pendik fährt, ist ausbaufähig. Das bringt echt nicht viel.

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